Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus)

Hasenartige  Wildkaninchen
Kurzinfo   Das Wildkaninchen kann leicht mit dem Feldhasen verwechselt werden, dennoch gibt es erhebliche Unterschiede. Kreuzungen zwischen Wildkaninchen und Feldhasen sind aufgrund unterschiedlicher Chromosomenzahlen nicht möglich. Im Gegensatz zum Feldhasen gräbt es Wohnbaue und Satzröhren, denn das Kaninchen ist ein Höhlenbewohner und zieht seine Jungtiere in einem Bau groß. Die Jungen sind im Gegensatz zum Feldhasen Nesthocker. Feinde des Kaninchens sind Fuchs, Rabenvögel, Greifvögel. Die Jagd auf das Kaninchen kann mit der Falle, Frettieren oder bei der Treibjagd erfolgen.
Lateinischer Name 
Synonyme 
Oryctolagus cuniculus, Linnæus, 1758
Kaninchen, Karnickel, Künigl, Kinigl, Kunelle, Lapin, Lamprette, Sandhase
Männliches Stück 
Weibliches Stück 
Nachwuchs 
Rammler
Häsin
Systematik
Klasse 
ohne Rang 

Unterklasse 
Säugetiere (Mammalia, Linnæus 1758)
Theria (Parker & Haswell 1897)
Höhere Säugetiere (Eutheria, Huxley 1880)
Überordnung 
ohne Rang 

Ordnung 
Euarchontoglires (Murphy, Eizirik et al. 2001)
Glires
Hasenartige (Lagomorpha, Brandt 1855)
Familie  Hasen (Leporidae)
Gattung 
Art 
Oryctolagus
Wildkaninchen
Allgemeines und Merkmale
Wildart   Niederwild
 Status   
Wissenswertes  Graben im lockeren Sand eigene Bauten
Die Gaumenspalte der Kaninchen ist enger als die des Feldhasen.
Eine Kreuzung (Bastardierung) zwischen Kaninchen und Feldhase ist nicht möglich.

Aussehen / Körperbau  Das Wildkaninchen ist überwiegend braungrau gefärbt, die Unterseite ist mehr grau, beim Hasen weiss. Das Haarkleid wird im Frühjahr und Herbst gewechselt. Die Pupille ist schwarzblau, die Seher sind von einem schmalen, weissen Ring umgeben. Die einfarbig braungrauen Löffel sind kürzer als der Kopf, beim Hasen hingegen gleich lang mit schwarzer Spitze. Auch die Hinterläufe sind kürzer als beim Hasen, es wirkt dadurch zwar kompakter, aber auch gedrungener als der Hase, kann dafür keine so weiten Sprünge machen. In der Gesamterscheinung sieht es anmutiger aus.
Balg   
Größe  Gesamtlänge = 35 - 45 cm
Blumenlänge = ca. 7 cm
Löffellänge = 6 - 7 cm
Gewicht  1,7 – 2,2 kg
Gebiss/Zahnformel 

Das Milchgebiss eines Kaninchens hat nur 16 Zähne, da es keine hinteren Backenzähne hat. Das Milchgebiss ist bei der Geburt schon vorhanden.

I C P M
2 0 3 0
-------- x2 = 16 Zähne
1 0 2 0

Der Zahnwechsel erfolgt zwischen der 3. und 5. Woche.

I C P M
2 0 3 3
-------- x2 = 28 Zähne
1 0 2 3
Sinne  An Sinnesschärfe übertrifft das Wildkaninchen den Hasen. Dem Kaninchen entgeht kaum ein Geräusch oder eine Bewegungund es sichert auch nach oben. Stark ausgeprägt ist auch der Geruchssinn.
Drüsen   
Kommunikation akkustisch  Bei Gefahr, großer Angst oder bei Schmerz gibt es einen kreischendpfeifenden Ton von sich und warnt durch Trommeln mit den Hinterläufen. Gewöhnlich aber ist es stummund v.a. Altkaninchen warnen ihre Umgebung mit kräftigem Klopfen der Hinterläufe (Sprünge) auf den Boden, worauf sich alle Kaninchen blitzschnell in den Bauen in Sicherheit bringen oder in Deckung gehen.
Kommunikation visuell   
Kommunikation  "chemisch"   
Herkunft  Die Urheimat des Wildkaninchens sind die Mittelmeerländer, insbesondere Spanien und Nordwestafrika. Die Phönizier entdeckten es etwa um 100 v.Chr. in Spanien und nannten das Land ishephanim, was soviel wie Küste der Kaninchen heisst. Die Römer kannten es unter dem Namen cuniculus und hielten es in sogenannte Leporarien, die Griechen nannten es dasypus (haariger Fuss). Bereits im 12. Jahrhunderts wurde es bei uns in Klöstern und Burggärten in sogenannte Künigleingärten gehalten. Im 18. und 19. Jahrhunderts wurde es in die freie Wildbahn ausgesetzt und ist seitdem überall in Deutschland heimisch.
Vorkommen  Wildkaninchen bevölkern ganz West- und Mitteleuropa und die westlichen Teile Osteuropas. Griechenland und die Balkanländer sind kaninchenfrei. Durch Einbürgerung ist es inzwischen auch in Australien, Neuseeland, auf Feuerland und auf den Kerguelen heimisch. In Australien, Neuseeland und auf Feuerland wurde es durch seine starke Vermehrung und mangels natürlicher Feinde zu einer Plage; es wurde dort mit dem Myxomatose-Virus (Myxomatose) bekämpft.
Lebensraum (Biotop Ursprünglich Steppenbewohner. Bevorzugt werden Gegenden mit leichten, trockenen und sandigen, jedoch grabfähigen Böden und mit mildem Klima. Über 500 m Meereshöhe wird es nicht mehr angetroffen. Das sehr gesellig in Kolonien lebende und standorttreue Kaninchen siedelt sich gerne an Waldrändern, Heidelandschaften und in lichten Kiefernbeständen an. Es ist ein Kulturfolger und nicht selten in Parks, Grünanlagen und Friedhöfen der Städte anzutreffen.
Lebensweise  In seinen Sippenverbänden herrscht eine strenge Rangordnung. Im Gegensatz zum Hasen gräbt es Wohnbaue und Satzröhren (Satzbau; Setzröhre). Während die Wohnbaue vornehmlich als Schlaf- und Schutzstätten dienen und einen oder mehrere ausgepolsterte Kessel mit bis zu vier Luftröhren besitzen, werden in den Satzbauen die Jungen gesetzt, die dort die ersten drei Lebenswochen verbringen. Das Kaninchen ist ein ausgesprochenes Dämmerungstier, aber auch nachts und tagsüber rege. Häufig liegt es gestreckt vor dem Wohnbau und sonnt sich. Auf der Flucht ist es im ersten Augenblick wesentlich schneller als der Hase und übertrifft diesen auch an Gewandtheit. Es versteht meisterlich das Hakenschlagen und erfordert daher auf der Jagd einen guten Schützen. Sein Lebensraum gliedert sich in drei Gebiete: Die Wohnbauanlagen, der Aktionsraum und der erweiterte Aktionsraum. Äsungsflächen und Satzbaue liegen im erweiterten Aktionsraum.
Nahrung und  Nahrungserwerb  Wildkaninchen sind Pflanzenfresser, die sich vorwiegend von Gräsern, Kräutern und Blättern ernähren. Wildkaninchen schälen Rinde von Obstbäumen und Weichhölzern.
Da Kaninchen keine cellulosespaltenden Enzyme produzieren, werden die schwerverdaulichen Pflanzenbestandteile im Dickdarm, vor allem im Blinddarm, durch die Darmflora fermentiert. Die Darmflora besteht vor allem aus Bacteroides. Der dabei entstehende Blinddarmkot wird direkt – in der Regel zweimal täglich – vom After wiederaufgenommen und erneut verzehrt, wodurch die bei der Fermentation entstehenden Vitamine, Aminosäuren und Proteine dem Tier zugutekommen. Dieser Vorgang wird Caecotrophie genannt.
Fortplanzung – Entwicklung – Krankheiten
Zusammenleben   
Rammelzeit  Die Rammelzeit dauert von Anfang März bis Juli teilweise August. Die Rammler umwerben dabei die Häsin mit Imponiergehabe, indem sie diese überspringen und blitzschnell mit Harn bespritzen.
Innehaben   
Setzen 

Gesetzt wird in einer von der Häsin gegrabenen, bis zu 3 m langen Setzröhre, die sie mit Gras, Brust- und Bauchwolle auspolstert. Beim Verlassen der Setzröhre scharrt sie diese mit Gras und Laub zu und benässt sie.

3 - 5 x 5 - 10 nackte und blinde Junge pro Jahr

Nachwuchs  Junge sind im Gegensatz zum Feldhasen Nesthocker
Säugezeit   
Selbständigkeit   
Geschlechtsreife   
Höchstalter   
Natürliche Feinde  Die natürlichen Feinde der Kaninchen sind neben dem Frettchen: Habicht, Sperber, Uhu, Waldkauz, Waldohreule, Nebelkrähe, Rabenkrähe, Fuchs, Baummarder, Steinmarder, Iltis, Wiesel, wildernde Hunde, Katzen und Elster für Jungkaninchen.
Infektionskrankheiten 
Parasitäre Erkrankung 
 
Bestands-zusammensetzung   
Bestandsstatus   
Bestandstrend   
Erkennung der Anwesenheit im Revier und Hege
 Wildschaden  Durch das kolonieweise und damit massenhafte Auftreten der Kaninchen werden oft beträchtliche Schäden an land- und forstwirtschaftlichen Flächen (z.B. in Getreidefeldern, Weinbergen, Obstgärten, Forstkulturen usw.) angerichtet. Für Schäden durch Wildkaninchen an Grundstücken, die zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehören oder einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk angegliedert wurden, ist Schadenersatz zu leisten. Dies gilt auch für Schäden an Grundstücken, die einem Eigenjagdbezirk angegliedert sind.
 Losung  Die Losung sieht aus wie die des Feldhasen, jedoch sind die Kotkugeln kleiner und liegen gehäuft (beim Hasen vereinzelt) an einem Platz. Wie beim Feldhasen wird vom Kaninchen eine sog. Blinddarmlosung ausgeschieden, die sofort wieder aufgenommen und unzerkaut abgeschluckt wird. Diese wahrscheinlich für den Stoffwechsel notwendige vitaminreiche (Vitamin B1) Blinddarmlosung wird nur in den Vormittagsstunden ausgeschieden; Coecotrophie.
Trittsiegel   
Spur  Die Spur ist diegleiche wie beim Feldhasen, nur kleiner.
Hege  Es ist weder eine Hege notwendig noch erwünscht. Das Aussetzen von Wildkaninchen ist nach dem BJG verboten. Im Gegensatz zum Hasen ist das Wildkaninchen als Baubewohner wesentlich besser vor natürlichen Feinden geschützt. Starken Eingriff in den Wildkaninchen-Besatz verursachen jedoch extrem schlechtes Wetter und die Myxomatose, die den Kaninchenbesatz um 99% reduziert, ihn aber nie gänzlich vernichtet.
Bejagung
Jagdzeiten DE, AT, CH  Das Kaninchen gehört zu den jagdbaren Wildarten und geniesst keine Schonzeit. Nur während der Aufzucht der Jungen bis zu deren Selbständigwerden (ca. drei Wochen) dürfen die Muttertiere nicht erlegt werden. Die Landesbehörden können jedoch auch hier Ausnahmen zulassen (z.B. bei auftretender Seuche oder zur Eindämmung eines unverhältnismäßig großen Wildschadens bei massenhaftem und unkontrollierbarem Auftreten der Kaninchen). 
Jagd  Die üblichen Jagdarten sind Ansitz, Suche, Treibjagd und Frettieren. Erfolgreich sind Treibjagden, die an sonnigen und windstillen Tagen stattfinden, weil sich die Kaninchen dann ausserhalb ihrer Baue befinden. Die Treiben sollten jedoch nur klein sein. Kaninchen lassen sich nicht weit treiben und flüchten bei Gefahr sofort in die Baue. Interessant ist die Baujagd mit dem Frettchen oder Iltis-Frettchen im Herbst. Das Frettchen wird mit einem Glöckchen am Hals versehen, damit es von den Kaninchen frühzeitig bemerkt wird, oder es erhält ein Halfter (Frettchenhalfter), damit es diese nicht reissen kann. Man lässt das Tier dann in den Kaninchenbau einkriechenund da es der natürliche Feind (Erzfeind) der Kaninchen ist, flüchten diese ins Freie, d.h., sie springen. Dort werden sie vom Jäger mit der Flinte oder mit dem Beizhabicht erwartet. Bei der Jagd mit der Flinte muss der mitgeführte Hund ein guter Apportierer sein. Er apportiert erst, wenn das Frettchen wieder im Transportkasten ist. Auch das Fangen der springenden Kaninchen im Kaninchennetz, der sog. Kaninchenhaube, die über die Bauöffnung gelegt wird, ist üblich. Dauert die Jagd länger, lösen mehrere mitgeführte Frettchen einander ab. Bei großen Bauanlagen wird auch gleichzeitig mit zwei oder mehr Frettchen gejagt.
Ansprechen   
Schuss   
Schusszeichen  Hase und Kaninchen, die auf der Flucht beschossen werden, überschlagen sich („rollieren“), wenn sie tödlich getroffen werden.
Aufbrechen   
Wildbret  Wildkaninchenfleisch ist zart-rosa gefärbt und hat ein süssliches Aroma, das sich deutlich von Hasenfleisch unterscheidet. Die Zubereitung ist mit derjenigen von Hasen identisch. Es hat allerdings eine kürzere Garzeit und ist vielseitiger verwendbar.
Altersbestimmung  Junge Wildkaninchen, die noch nicht abgezogen sind, erkennt man an dem noch weichen Fell, den dicken Gelenken, den kleinen vom Fell verdeckten Krallen und am kurzen Hals.
Trophäen   
Medizinische Verwendung   
 
Literatur

Jagdlich

  • Becker, Rolf-Walter: Ein Patentrezept gibt es nicht. Differenzierte Bewertungen sind unverzichtbar. In: Feldhase und Wildkaninchen. Biologie, Lebensraum, Hege und Jagd. (= Wild und Hund Exklusiv, Bd. 6). Singhofen: Paul Parey Verlag, 1997, S. 92-95
    Claußen, Günter: Alters- und Geschlechtsbestimmung beim Niederwild. In: Wild und Hund, 16/1982, S. 14-16
  • David, Andreas: Editorial. In: Feldhase und Wildkaninchen. Biologie, Lebensraum, Hege und Jagd. (= Wild und Hund Exklusiv, Bd. 6). Singhofen: Paul Parey Verlag, 1997, S. 3
  • Frank, Wolfgang / Guthörl, Volker: Unterrichtsreihe heimische Wildtiere in der Feldflur und am Wasser am Beispiel von Hase, Kaninchen, Rebhuhn, Fasan, Stockente und Graugans. Bonn: DJV, 1997
  • Hespeler, Bruno: Wildkaninchen und Wildtauben. Vaduz: Jagd- und Kulturverlags Anstalt, 1998
  • Reimoser, Friedrich / Klansek, Erich / Reimoser, Susanne: Lebensraum & Abschuss. Abschussdichten verschiedener Wildarten in den österreichischen Bezirken seit 1955 - 15.Teil: Wildkaninchen, Wachtel, Großtrappe. In: Österreichs Weidwerk , 8/2006, S. 7-9

Allgemein

  • John A. Gibb: The European Rabbit Oryctolagus cuniculus. In: Joseph A. Chapman, John E. C. Flux (Hrsg.): Rabbits, Hares and Pikas. Status Survey and Conservation Action Plan. (PDF-Datei; 10,74 MB) International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN), Gland 1990; S. S. 116-120. ISBN 2-8317-0019-1.
  • Alfred Willy Boback: Das Wildkaninchen: Oryctolagus cuniculus (Linné, 1758). In: Die neue Brehm-Bücherei. Band 415, 2., unveränderte Neuauflage, Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben 2004 (Erstausgabe: Ziemsen, Wittenberg Lutherstadt 1970). ISBN 978-3-89432-791-0.