Gewöhnlicher Spindelstrauch (Euonymus europaeus)

Spindelbaumartige 

Gewöhnlicher Spindelstrauch

Lateinischer Name 

Euonymus europaeus, Linnæus 1758
Mit Ausnahme der Gattung der Ahorne (Acer) besitzen Bäume im Lateinischen stets weibliche Namen. Das hat einen mythologischen, mit den sie bewohnenden Baumnymphen verbundenen Hintergrund. Diese Regel aus dem klassischen Latein findet in der botanischen Nomenklatur vor allem bei in Europa heimischen oder seit der Antike bekannten Arten Anwendung. Ein Beispiel ist der Artname der Rotbuche Fagus sylvatica. Da es außerhalb von Europa baumförmige Euonymus-Arten gibt, wurde die gesamte Gattung der Spindelsträucher (Euonymus) von vielen Wissenschaftlern als weiblich behandelt, während andere die männliche Form bevorzugten. Daher war immer neben der Schreibweise Euonymus europaea auch die Variante Euonymus europaeus üblich. Im Jahr 2000 wurde dieser Fall durch eine Entscheidung der Nomenklaturkommission für den Internationalen Code der Botanischen Nomenklatur geregelt. Euonymus ist damit als männlich zu behandeln, der wissenschaftlich korrekte Name der Art ist Euonymus europaeus.

Synonyme 

Europäisches Pfaffenhütchen, Gewöhnliches Pfaffenhütchen, Pfaffenkäppchen, Pfaffenkapperl, Rotkehlchenbrot, Spillbaum, Spindelbaum

Systematik

Abteilung 
Unterabteilung 
Klasse 

Gefäßpflanzen (Tracheophyta, Sinnott)
Samenpflanzen (Spermatophytina)
Bedecktsamer (Magnoliopsida, Brongn.)

Ordnung 

Spindelbaumartige (Celastrales, Link)

Familie 

Spindelbaumgewächse (Celastraceae, R.Br.)

Gattung 
Art 

Spindelsträucher (Euonymus)
Gewöhnlicher Spindelstrauch

Allgemeines

Status 

 

Wissenswertes 

Der Gewöhnliche Spindelstrauch ist ein winterkahler Strauch mit wintergrünen Zweigen (Rutenstrauch). Er ist ein Flachwurzler mit VA-Mykorrhiza. Die Blüten sind vormännliche „Nektar führende Scheibenblumen“. Der Nektar wird vom fleischigen Diskus abgegeben. Besucher sind Insekten aller Art, besonders Fliegen. Blütezeit ist von Mai bis Juni.
Da die Kapselfrucht dem Birett, einer Kopfbedeckung katholischer Geistlicher ähnelt, wird die Pflanze „Pfaffenhütchen“ oder „Pfaffenkäppchen“ genannt. Der Spitzname „Rotkehlchenbrot“ stammt daher, dass die Samen im Winter gerne von Vögeln gefressen werden.
Das Pfaffenhütchen ist ein wertvolles Flurgehölz für Erosionsschutz, Ufer- und Böschungssanierung. Das Holz wird in der Drechslerei und zur Zeichenkohlegewinnung verwendet. Auch für die Herstellung von Putzholz für den Uhrmacher wird es verwendet. Auf Grund seiner schönen Herbstfärbung, der roten Früchte und der ungewöhnlichen, kantigen Form der Äste wird das Pfaffenhütchen häufig als Ziergehölz in Gärten und Parks gepflanzt.

Der Strauch eignet sich zur Anlage von regelmäßig beschnittenen Hecken. Zu diesem Zweck werden von Gärtnereien auch Sorten mit besonders gefärbten Blättern verkauft (Euonymus Coloratus).
Das Pfaffenhütchen wurde 2006 in Deutschland zur Giftpflanze des Jahres gewählt.

Herkunft 

Einheimisch

Vorkommen 

Der Spindelstrauch kommt vor allem in Europa, mit Schwerpunkt in Mitteleuropa vor. Im Norden kommt er bis nach Irland, Süd-Schottland, Süd-Schweden und Lettland vor, im Süden bis Nord-Spanien, Sizilien und Mittel-Griechenland. Das Verbreitungsgebiet reicht nach Asien noch bis ins nördliche Kleinasien und ins Kaukasusgebiet hinein.

Aussehen und Merkmale

Erscheinungsbild 

Der Gewöhnliche Spindelstrauch erreicht als sommergrüner, aufrechter, reich verzweigter, sparriger Strauch Wuchshöhen von bis zu 3 m, als kleiner Baum auch bis zu 6 m. Die im Querschnitt oft stumpf vierkantigen Zweige (Rutenstrauch) besitzen eine anfangs grüne bis später grau-braune Rinde, es können zwei bis vier schmale Korkleisten vorhanden sein. Sträucher und Bäume besitzen im Alter eine grau-braune, längsrissige Borke. Er ist windfest und frosthart. Die Pflanzenteile sind giftig.

Wachstums-bedingungen 

Die Pflanze bevorzugt Waldränder, Hecken und Abhänge. Das Pfaffenhütchen braucht nährstoffreiche, kalkhaltige und salzarme Böden. Nach Ellenberg ist diese Pflanzenart ein Mäßigwärmezeiger, ein Frischezeiger auf mäßig stickstoffreichen Standorten und eine Klassencharakterart der Schlehengebüsche und verwandter Gesellschaften (Prunetalia spinosae), kommt aber auch im Alno-Ulmion sowie im sickerfeuchten Carpinion und Fagion vor.

Wuchshöhe 

als Strauch bis 3m
als kleiner Baum bis 6 m

Wurzelsystem 

Flachwurzler mit VA-Mykorrhiza

Stängel 

 

Blätter 

Die gegenständigen Laubblätter besitzen einen Blattstiel und eine mit einer Länge von 3 bis 12 cm eiförmige bis lanzettliche Blattspreite mit einem fein gekerbten bis gesägten Rand und beiderseits kahlen Blattflächen. Sie zeigen eine sehr schöne, teilweise leuchtend rote Herbstfärbung.

Blüten 

Es werden achsenständigen trugdoldige Blütenstände auf einem 1 bis 3 cm langen Blütenstandsschaft gebildet. Sie enthalten meist zwei bis sechs, selten bis zu neun Blüten. Die zwittrigen, vierzähligen Blüten sind klein und unscheinbar mit doppelter Blütenhülle ist mit den vier Kronblättern, den nur vier Staubblättern und dem Diskus gut zu erkennen. Der Fruchtknoten ist oberständig. Der Nektar wird vom fleischigen, vierlappigen Diskus abgesondert und lockt viele Insekten-Arten, insbesondere Ameisen und Fliegen, als Blütenbesucher an.

Blütezeit 

Die Blütezeit reicht von Mai bis Juni.

Bestäubung 

meist von Fliegen, aber auch von Bienen oder Ameisen

Frucht und Samen 

Die in einem abstehenden Fruchtstand stehenden Früchte reifen von August bis Oktober und öffnen sich dann mit vier Klappen. Die purpurrosa bis karminrot gefärbten, vierlappigen, Kapselfrüchte sind vierfächrig, 1 bis 1,5 cm breit und enthalten ein bis vier Samen. Die weißen, eiförmigen Samen mit einer Länge von 5 bis 7 mm sind von einem dünnen, orangefarbenen gefärbten Samenmantel (Arillus) ganz umhüllt, besitzen einen grünen Embryo und hängen eine Zeit lang an verlängerten Stielchen (Funiculus) aus der geöffneten Kapsel heraus.
Das fördert die Mundverbreitung durch z.B. Drosseln und Rotkehlchen; diese schälen den fleischigen Arillus ab, wobei der verbleibende Samen zu Boden fällt. Der Samen enthält reichlich Nährgewebe (Endosperm) und bereits ergrünte Keimblätter.

Die Keimung erfolgt erst nach einer Samenruhe von 3–4 Jahren. Vegetative Vermehrung erfolgt durch sich bewurzelnde Kriechsprosse.

Häusigkeit 

Die Art ist dreihäusig d.h. neben Pflanzen mit zwittrigen Blüten kommen auch solche mit nur männlichen und solche mit nur weiblichen Blüten vor; bei letzteren sind die Pollensäcke taub.

Chromosomenzahl 

2n = 64

Frosthärte 

 

Pflanzenerkrankung 

Der Spindelstrauch wird vom Rostpilz Melampsora evonymi-caprearum mit Spermogonien und Aecien befallen.
Der Pilz Septogloeum carthusianum verursacht hellbraune, von den Blattadern und mit einem dunklen Rand begrenzte Blattflecken, die zu einem vorzeitigen Blattabfall führen können.
Der Strauch wird aber im Regelfall nicht schwer geschädigt.

Schädlinge 

Der Spindelstrauch wird häufig von den 2 cm langen, gelblichen, schwarz gepunkteten Raupen der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte befallen. Der befallene Strauch ist dann in ein dichtes Gespinst eingehüllt, in dem die Raupen die Blätter fressen. Zur Bekämpfung des Schädlings werden die befallenen Äste herausgeschnitten und der Strauch mit einem Insektizid behandelt.

Futter 

 

Gift 

herzwirksame Glykoside und verschiedene Alkaloide

Giftigkeit für Menschen 

Alle Pflanzenteile des gewöhnlichen Spindelstrauches sind giftig. Vor allem in den Samen befinden sich Steroidglykoside (Cardenolide), außerdem die Alkaloide Evonin, Koffein und Theobromin. Die Rinde enthält Bitterstoffe, Gerbstoffe und Phlobaphene, die Blätter auch Triterpene.
Der Verzehr von Samen führt zu Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Dabei kann es zu einer starken Reizung des Magen-Darm-Traktes kommen. Die Glykoside wirken außerdem auf die Herzmuskulatur. Auch Nierenschädigungen, Kreislaufkollaps, Benommenheit und Leberschwellungen gehören zu den Symptomen, die bei dem Verzehr der Früchte auftreten. Vergiftungen treten vor allem bei Kindern auf, die sich von den attraktiv aussehenden Früchten verführen lassen. Dabei kann es zu Leber- und Nierenschäden, je nach Schweregrad auch zum Tod kommen. In der Literatur finden sich unterschiedliche Angaben darüber, welche Dosis bereits tödlich wirkt. Alle Krankheitszeichen können noch 18 Stunden nach dem Verzehr der giftigen Pflanzenteile auftreten. Zu den Erste-Hilfe-Maßnahmen gehören das Auslösen von Erbrechen sowie die Verabreichung von Aktivkohle. Weitere Maßnahmen sind Magenspülungen, die Verabreichung von Mucilaginosa, um die Reizung des Magen-Darm-Traktes zu mindernund Gabe von Barbituraten und Benzodiazepinen, um den Krämpfen entgegenzuwirken.

Giftigkeit für Tiere 

 

Medizinische Verwendung 

 

Imkerwerte

 

Nektar 

 

Pollen 

 

Pollenfarbe 

 

Propolis 

 

Blumenuhr 

 

Literatur

Jagdlich

  • Zeiler, Hubert: Verbissgehölze: Gelber Hartriegel, Schlehdorn und Pfaffenkäppchen. In: Jagd in Tirol, 5/2010, S. 14-16

Allgemein

  • O. Wünsche, 2003: Datenblatt (PDF; 252 kB) der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL).
  • Andreas Alberts, Peter Mullen: Giftpflanzen in Natur und Garten – Bestimmung, Giftwirkung, Erste Hilfe. Franckh-Kosmos Verlag Stuttgart, 2003, ISBN 3-440-09550-9
  • Angelika Lüttig & Juliane Kasten: Hagebutte & Co – Blüten, Früchte und Ausbreitung europäischer Pflanzen. Fauna Verlag, Nottuln, 2003, ISBN 3-935980-90-6
  • Andi Hafner, Matthias Riesen, Marlene Wenger, Martin Wyttenbach: Gehölzporträt. (PDF; 340 kB)
  • Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands. 7. Auflage, Quelle & Meyer-Verlag, 2011, ISBN 978-3-494-01424-1