Waffen- und Munitionsentwicklung 630 bis 1884
1884 |
Hiram Stevens Maxim |
Hiram Stevens Maxim stellt 1884 das erste automatische Selbstladegewehr vor, das die beim Schuss auftretenden Rückstoss- und Gasdruckenergie zum erneuten Ladevorgang nutzt. Auch die Patronenzuführung ist neu: Das Maschinengewehr braucht keine Fllksten oder Trommelmagazine wie das Gatling, sondern bekommt die Patronen aus einem Gurt. Das Zeitalter der Maschinenwaffen bricht an. |
1884 |
Pasteten aus Pulver |
Der französische Chemiker Murice Vieille mischt Nitrozellulose mit verschiedenen Lösungsmitteln und gewinnt so eine teigartige Masse. Vieille walzt sie zu Platten aus, die er wiederum zu Pulverpartikel verschiedener Formen und Größen zerkleinert. Nun lassen sich rauchlose Pulver mit unterschiedlicher Gasdruckentwicklung herstellen, die spezielle Patronen-Treibladungen ergeben. Nitrozellulose-Pulver und Metallhülse bilden die Voraussetzungen für die moderne Selbstlade-Systeme. |
1871 |
Schwäbische Tüftelei |
Die Brüder Peter Paul (1838-1914) und Wilhelm Mauser (1834-1892), gelernte Büchsenmacher der Königlich-Württembergischen Gewehrfabrik in Oberndorf am Neckar, entwickeln einen leicht zu handhabenden Selbstspanner-Verschluss mit einer neuartigen Drehflügel-Sicherung. Ihr Modell 1871 überbot die Leistungen des Chassepot-Gewehrs. |
1866 |
Chassepot |
Angestachelt durch die Erfolge des deutschen Dreyse-Zündnadelgewehrs und des amerikanischen Green-Hinterladers experimentiert Alphonse Chassepot an einem neuen Hinterlader mit Kammerverschluss. 1866 präsentiert Chassepot, Leiter des französischen Atellerie-Arsenals, sein Elf-Millimeter-Zündnadelgewehr, das selbst die Dreyse-Büchse beflügelt. Zwar verschiesst das Modell noch Papier- und Leinenpatronen, die Zündpille sitzt aber so weit hinten, dass die empfindliche Zündnadel wesentlich kürzer ausfallen kann. |
1866 |
Nobel, nobel |
Der schwedische Chemiker Alfred Nobel (1833-1896) gründet 1865 eine Nitroglyzerin-Fabrik in Krümmel an der Elbe und mixt dort das Dynamit, ein Mischung aus Nitroglyzerin und gebrannter Kieselgur. Das Nobel-Produkt stellt an Detonationsgeschwindigkeit und Wirkung alles in den Schatten, was bis dahin an Sprengstoff zusammengebaut worden war. |
1866 |
Berdan und Boxer |
Der US-General Hiram Berdan verbesserte 1866 die Zentralfeuer-Zündung, indem er in die Zündglocke des Patronenbodens eine kleine Erhebung einarbeitet. Der Schlagbolzen stösst die druckempfindliche Zündmasse gegen diesen Ambossund die Zündflamme schlägt durch zwei Zündlöcher in die Treibladung. Der Engländer Edward Boxer baut dem Amboss gleich in das Zündhütchen ein und beschränkt sich auf ein Zündloch. |
1860 |
In die Röhre geguckt |
Während in Europa das einschüssige Dreyse-Gewehr mit seiner Papierpatrone noch als das Nonplusultra gilt, basteln die Amerikaner schon an Mehrladern für Metallpatronen herum. Christopher Spencer (1833-1922) und Benjamin Henry (1821-1898) entwickeln um 1860 Röhrenmagazine mit Spiralfedern, die die Patronen nacheinander nach oben drücken. Spencers Neun-Schuss-Magazin liegt im Kolben, die 15-Schu-Rhre von Henry unmittelbar unter dem Lauf. Man repetiert mit dem Abzugsbügel (Spencer) oder einem laschenartigen Unterhebel unter dem Kolbenhals (Henry). Seine Variante kommt als Winchester-Unterhebelrepetierer zu Weltruhm. Als erstes europäisches Land führte die Schweiz 1869 mit ihrem Vetterli-Gewehr eine Waffe mit Röhrenmagazin ein. |
1860 |
Unter der Haube |
Die Metallpatrone setzt sich durch. Beim Schuss pressen die Pulvergase die Kupfer- oder Messinghülsen gegen die Wände des Patronenlagers, die Gase entweichen nicht mehr ungenutzt nach hinten. Dazu kommt, dass Metallhülsen das empfindliche Pulver besser schützen als jedes andere Material und sich mit geringeren Toleranzen herstellen lässt-erste Bedingung für eine maschinelle Massenproduktion. Um 1860 beginnt der Siegeszug der Zentralfeuer-Zündung. Das Zündhütchen sitzt in den Zündglocke, einer konischen Ausfräsung in der Mitte des Patronenbodens. |
1855 |
Massen-Ware |
Der Engländer Henry Bessemer (1813-1898) erfindet ein neues Verfahren zur Stahl-Herstellung (Bessemer-Birne). Der Stahl lässt sich nun in Massen produzieren. Die Läufe von Handwaffen und Geschützen bestehen nun aus gegossenem Stahl, haben eine geringere Wandstärke, sind dennoch stabiler und leichter als solche aus Eisen und erheblich billiger. |
1854 |
Gestauchte Geschosse |
Dem Österreichischen Unterleutnant Josef Lorenz ist das Culot-Geschoss von Mini noch zu kompliziert. Sein Kompressions- oder Stauch-Geschoss funktioniert so: Der Gasdruck staucht es über zwei tiefe ringförmige Kerben im Geschosshals in sich und damit ins Laufprofil. Mit dem Lorenz-Geschoss war die letzte Leistungsverbesserung gezogener Vorderlader erreicht. |
1848 |
Randfeuer-Patrone |
Der Pariser Büchsenmacher Gustav Flobert kreiert die erste Randfeuer-Patrone mit Metallhülse. Er verzichtet auf Schwarzpulver: Knallquecksilber, in den hohlen Auenrand des Patronenbodens gegossen, dient gleichzeitig als Zündmittel und Treibladung. Aus Floberts Zimmerpatronen entwickeln sich die 22er Kleinkaliberpatronen. Der Amerikaner Rollin White konstruiert 1854 die erste groskalibrige Randfeuer-Patrone. Smith & Wesson brachte 1857 den ersten Revolver für diese Patrone heraus. |
1848 |
Brisantes l |
Der italienische Chemiker Ascano Sobero (1812-1888) erfindet 1847 das hochbrisante Sprengel Nitroglyzerin. |
1848 |
Ins Näpfchen getreten |
Der Hauptmann Claude-Etienne Mini verfeinert die neuen unterkalibrigen Vorderlader-Langgeschosse seiner Berufskollegen Delvigne und Thouvenin. Er höhlt den Geschossboden aus und setzt ein eisernes Näpfchen ein, das "Culot". Beim Schuss treibt der Gasdruck das Culot wie einen Keil in das weiche Bleigeschoss und presst es in die Züge und Felder des Laufes. Minis Expansionsgeschoss führte das Projektil nahezu gasdicht im Lauf; folglich brachte es bessere ballistische Werte. Ausserdem konnte man die unterkalibrige Mini-Kugel genauso schnell in einer gezogenen Büchse laden wie früher die Rollkugel in den Glattrohriegen Flinten. |
1840 |
Reine Baumwolle |
Mit einem lauten Knall endet die Schwarzpulver-rass. Professor Christian Friedrich Schönbein verblüffte die Basler Naturfreunde Gesellschaft mit seiner Erfindung der Nitrozellulose, Grundstoff aller modernen, rauchlosen Nitropulver. Schönbein hatte Baumwolle mit Salpeter- und Schwefelsure nitriert. |
1836 |
Nadel-Stiche |
Der 19 jährige Schlossergeselle Johann Nikolaus Dreyse beschliesst in Jahr 1806, Büchsenmacher zu werden und die Zündtechnik von Vorderladern zu verbessern. Vorerst bleibts allerdings beim Experimentieren. Erst beim Perkussionsschloss und bei der neuen Knallquecksilber-Zündung des Pfarrers Forsyth springt auch bei ihm der Funke ber. Er konstruiert eine Patrone, die man nicht mehr aufreissen muss und die auch kein gesondert aufgesetztes Zündhütchen mehr braucht. Dreyse setzt einfach eine Zündpille zwischen Geschoss und Pulverladung. Mit einer langen Stahlnadel durchstösst er Papier und Ladung und zündet die Pille. Zwar musste die Patrone von vorn geladen werden, doch die Nadelstich-Taktik beflügelt Dreyse zu einem neuen Hinterlade-patent. Um 1835 präsentiert er dem preussischen Kriegsministerium den sogenannten Kammerverschluss, eigentlich das Prinzip der modernen Zylinderverschlüsse. Der Kammerverschluss bestand aus drei ineinandergestreckten Hohlzylindern, einer Schraubenfeder sowie der Zündnadel. Mit dem hebelartigen Kammerstengel liess sich die Kammer öffnen und der Zylinder zum Laden zurückziehen. Dabei spannte sich die Zündnadel über die Feder. Nun brauchte man den Verschluss nur noch nach vorn zu drücken und mit einer Rechtsdrehung des Kammerstengels zu verriegeln. Bis 1860 hielten die Preussen Dreyses revolutionäre Konstruktion unter Verschluss. |
1835 |
Trommel-Wirbel |
Der Amerikaner Samuel Colt kommt auf den Dreh und bringt das schon im 16 Jahrhundert bekannte Trommelprinzip richtig in Schwung. Er setzt einen drehbaren Stahlzylinder mit sechs achsparallelen Bohrungen für Pulverladung und Kugel hinter einen kurzen Lauf. Trommel und Hahn stimmte er so aufeinander ab, dass sich die Trommel um eine Kammer weiterdrehte und der Hahn sich automatisch spannte, sobald man am Abzug zog. Sein erstes Revolvermodell heisst "Paterson" und krempelte die Waffentechnik um. |
1828 |
Lang-Geschosse |
Schützen wittern Morgenluft: Der französische Hauptmann Gustave Delvigne entwickelt ein Lang-Geschoss aus Blei, mit dem sich gezogene Vorderlader leichter und vor allem schneller laden lassen als mit der Pflasterkugel. Das Geschoss von Delvigne besass mehrere tiefe Rillen, einen geringeren Durchmesser als das Kaliber und liess sich deshalb leicht durch die Züge und Felder bis zur Pulverkammer stossen. Der Trick an der Sache: Mehrere Stösse mit dem Ladestock stauchten den Bleizapfen so weit auf, das sich das weiche Blei dem Laufprofil anpasste. Oberst Louis Thouvenin verbesserte das System durch einen Dorn in der Pulverkammer, der wie ein Ambo wirkte. Den europäischen Staaten sticht die neue Erfindung wie ein Dorn ins Auge: Die meisten von ihnen rüsteten ihre Gewehre sofort um. |
1811 |
Taschengewehr |
Noch eine Weltpremiere: Der amerikanische Büchsenmacher John Hancock Hall bekommt das Patent für ein neues Hinterlademodell, das als erstes serienmäßiges Militär-Hinterladegewehr in die Waffengeschichte eingeht. Hall konstruierte eine vierkantige Kammer mit Steinschloss, die die Papierpatrone aufnahm. Mit einem Hebel vor dem Abzugsbügel liess sich die Kammer entriegeln, nach oben aufklappen und, wenn nötig, mit wenigen Handgriffen ganz herausnehmen. Viele Soldaten benutzten die Hallische Kammer sogar als Taschenpistole. Als Weltneuheit galt auch die Herstellung der Waffe: Die staatliche Waffenfabrik in Harpers Ferry/Virginia baute die neuen Hinterlader lehrenartig; das heisst in so engen Toleranzen, dass die Einzelteile beliebig untereinander ausgetauscht werden konnten. |
1805 |
Perkussionsschloss |
Der schottische Pfarrer John Forsyth baut ein neues, sensationelles Zündsystem, das ohne Feuerstein, Lunte, Rad und Pfanne funktioniert und eine wesentlich höhere Zündsicherheit garantiert. Die Erleuchtung war dem Kirchenmann nach Berichten über Experimente gekommen, die der Franzose Claude Louis de Berthollet und der Italiener Enrico Bugnatelli mit Knallquecksilber gemacht hatten. Forsyth füllt den explosiven Stoff in ein kleines Metallfläschchen, das er waagerecht an eine hohle, in das Zündloch führende Achse montiert. Sobald man das Fläschchen dreht, fliesst ein Zündtropfen in die Achse. Ein Bolzen zündet das Knallquecksilber auf Schlag des Hahns. Aus dem "Flacon" oder Zündfläschchen entsteht zwischen 1805 das Perkussionsschloss mit Zündröhrchen, dem Piston. Als Knallquecksilber-träger werden Zündpillen, Papier-Zündplättchen und Zündhütchen ausprobiert. Die Hütchen machten das Rennenund 1825 beginnt die Prager Fabrik Sellier&Bellot als weltweit erstes Unternehmen mit der Massenproduktion von Zündhütchen, die man aber bald statt mit dem giftigen druckempfindlichen Knallquecksilber mit Chlorkali füllt. |
1781 |
Das konische Zündloch |
Der Herzberger Büchsenmacher Franke entwickelt das konische Zündloch, das das gesonderte Aufschütten des feinen Zündkrauts in die Pfanne überflüssig macht. Durch das trichterförmige Zündloch und eine Abschrägung in der Schwanzschraube rieselt ein Teil der in den Lauf geschütteten Pulverladung nun automatisch in die nach außen geschlossene Zündpfanne. |
1776 |
Hinter-List |
Am 1. Juni führt Obers Patrick Ferguson einer britischen Kommission ein neues gezogenes Gewehr vor, das pro Minute sechs Schuss abfeuert. Kaum haben sich die Experten von der unglaublichen Feuergeschwindigkeit erholt, schüttet Ferguson Wasser in den Lauf- und schiesst nach 30 Sekunden munter weiter. Das Rätsels Lösung: Das Gewehr besass ein Hinterladesystem mit einer Verschlussschraube. Durch eine halbe Umdrehung des Abzugsbügels senkte sich die Schraube nach unten ab und gab die hintere Ladeöffnung freiund man brauchte nur noch Kugel und Ladung einzusetzen. Ferguson hatte eine Erfindung von Isaac de la Chaumette verbessert und ausserdem das Verschlussprinzip des Crespi-Gewehrs abgekupfert, das 1770 bei österreichischen Einheiten eingeführt wurde. Nach Fergusons Tod verschwand sein Gewehr schnell in der Versenkung. |
1717 |
Überzeugungstäter |
Die Franzosen sind nun endgültig von den Vorteilen des Steinschlosses bezeugt und rüsten als erster europäischer Staat ihre gesamten Truppen mit Steinschlossflinten aus. König Ludwig XV. gibt einen Erlass heraus, wie Patronen herzustellen sind. 1720 folgen die Briten mit der Brown-Bess-Flinte, dem Bestseller des Jahrhunderts; 1777 machte Paris Furore mit einem Modell im Kleinkaliber 0.69 Zoll (=17,5 mm). Trotz der zahlreichen Varianten gibt es bei den europäischen Steinschlossflinten nur wenig äusserliche und technische Unterschiede. |
1698 |
Eiserner Ladestock |
Leopold Fürst von Anhalt-Dessau (1676-1747), ein Haudegen, wie er im Buche steht, brachte den preussischen Grenadieren nicht nur den Gleichschritt bei. Der alte Dessauer, wie man ihn nannte, führte für sein Regiment auch den stählernen Ladestock mit breitem eisernen Kopf einund zwar auf eigene Kosten. Die blichen hölzernen Ladestöcke brachen oft in der Hitze des Gefechtsund ohne Ladehilfe taugte die beste Waffe nichts. Die Investition machte Schule und sich bezahlt: In den Schlachten des spanischen Erbfolgekrieges (1701-1714) von Turin und Höchstädt gegen die Franzosen und Bayern feuerte keine andere europäische Truppe schneller als die preussische Infanterie mit drei Schuss pro Mann und Minute. |
1671 |
Stichhaltige Argumente |
Ebenfalls als erste militärische Einheit erhalten die königlichen Füsiliere Bajonette. Diese ersten aufgepflanzten Stichwaffen besassen dünne, spundartige Griffe im Kaliberdurchmesser, die die Füsiliere von dem Nahkampf in die Laufmündung steckten. Die Spund-Bajonette machten die Pikeniere arbeitslos, die mit ihren Piken die Musketiere während des umständlichen Ladevorgangs schützen sollten. Um 1690 kommen Seitengewehre mit Laufringen auf, die sogenannten Tüllen-Bajonette, die die alten Stecher ablösen. Zehn Jahre später schmiedete man zwischen Tülle und Klinge einen horizontal abgeknickten Arm, der Schütze konnte seine Flinte nun auch mit aufgepflanztem Bajonett laden. |
1665 |
König kontra Steinschloss |
Der Sonnenkönig Ludwig XIV. (1638-1715) verbietet seinen Truppen jede Art von Steinschlosswaffen. Sein Kriegsminister Le Tellier lässt alle Steinschlossmusketen zerstören und durch Luntenschlossewehre ersetzen. Sein Sohn und Nachfolger, der Marquis de Louvois (1639-1691), verfährt wiederum genau umgekehrt. Die königlichen Füsiliere gelten als erste komplett mit Steinschlossflinten oder "fusils" (deutsch: Flinten, Gewehr) ausgerüstete Truppe; damit sollten sie der eigenen Artillerie angreifende Kavalleristen vom Leibe halten. |
1631 |
Schwedische Packung |
König Gustav Adolf von Schweden (1594-1632) schlägt am 17. September 1631 die Truppen der katholischen Liga bei Breitenfeld. Den Sieg verdankte er vor allem seinen Musketieren, die ihre Gewehre schneller nachluden als die Schützen des Feldherren Johann Tserclaes Tilly. Die flinken Schweden brauchten Pulverladung, Zwischenmittel und Geschoss nicht mehr mühsam aus Fläschchen, Beuteln und Taschen zu kramen; sie luden ihre Musketen erstmals mit Patronen in Form kleiner Papiersäckchen. Vor dem Schuss wischten die schwedischen Musketiere zuerst mit dem Daumen alte Pulverreste aus der Zündpfanne und schütteten aus der Zündpulverflasche feines Zündkraut auf. Dann rissen sie mit den Zähnen eine Papierpatrone auf und kippten den Inhalt - Pulver, Zwischenmittel und Kugel - nacheinander in den Lauf. |
1630 |
Französisch gets besser |
Die Büchsenmacherfamilie Le Bougeoys aus Lisieux in der Normandie konstruiert das Batterieschloss, eine Weiterentwicklung des Schnappschlosses. Sie ersetzen den spröden, leicht brechenden Schwefelkies durch den dauerhafteren Feuerstein oder Flint. Die stählerne Schlagfläche und den Pfannendeckel bauten sie zur Batterie um, indem sie die Schlagfläche zum Hahn in einem genau berechneten Winkel abschrägten. Der Deckel der Pulverpfannen erhielt eine Sprungfeder. Schnappte der Hahn auf die Schlagfläche, schabte der Feuerstein der Batterie entlang und erzeugte Zündfunken; die Batterie federte gleichzeitig von der Pfanne und gab das Pulver frei. Die empfindliche Feder- und Abzugsmechanik verlegten die Franzosen auf die geschützte Innenseite des Schlossblechs. |
1607 |
Windbüchsen |
Der Nürnberger Feuerschlossmacher Peter Dömbler baute sogenannte Windbüchsen, die mit Pressluft großkalibrige Kugeln ohne Mündungsknall verschiessen. Der Rat der Stadt verbietet Dömbler die Büchsen-Produktion, weil man "mit solch mörderisch Waffen einen Menschen hinrichten könne, unvermerkt, wo es herkomme". 250 Jahre später verbessert der Italiener Bartholomus Girandoni die Konstruktion. Diese Windbüchsen besassen gezogene Läufe und verschossen Rundkugeln im Kaliber 13 Millimeter aus einem 20 Schuss-Röhrenmagazin, das eine einfache Schiebevorrichtung zum schnellen Laden besass. Mit einer Luftpumpe bauten die Schützen genügend Druck im abschraubbaren Kolben auf, der nach den ersten Schüssen allerdings rasch nachliess. Die ersten drei bis vier Schüsse sassen auf 150 Meter genau im Ziel, aber auch der 18., 19. Und 20. Schuss wirkte noch auf 80 Metern tödlich. Wegen der empfindlichen Leder- und Messingdichtungen wurden die Windbüchsen wieder ausgemustert. |
1567 |
Mannshohe Musketen |
Spanische Musketiere bringen neue Gewehre unters Volk: fast mannshohe, zwischen sechs und acht Kilogramm schwere Waffen mit langen Kolben mit ausgeprägtem Hals für die Schusshand und einer Backe zum Anlegen an die Wange. Beim Schiessen lag der Vorderschaft auf einer Stützgabel, das erleichterte das Zielen und Mitschwingen. Das Musketen-Kaliber war mit ungefähr zwei Zentimetern so groß, dass ein Pfund Blei nur für zehn Kugeln reichte. Die Musketen schossen zwar nur auf 50 bis 60 Schritt genau, die schweren Geschosse verdellten aber jeden Harnisch und jedes gepanzertes Pferd. |
1560 |
Erste Hilfe Pflaster |
Jäger und Büchsenschützen wickeln ihre Kugeln in kleine talggeschmierte Leder- oder Stoffläppchen. Da sie gleichzeitig leicht unterkalibrierte Geschosse luden, brauchten sie weniger Kraft, um das gepflasterte Geschoss mit dem Ladestock durch die Züge und Felder des Laufes zu stossen. Das nachgiebige Schusspflaster übertrug den Drall an das stramm sitzende Geschoss so gut, dass Pflasterbüchsen-Schützen an den Meisten Schiesswettbewerbe nicht teilnehmen durften. |
1550 |
Eingeschnappt |
Holländische Büchsenmacher entwickeln einen neuen Zündmechanismus, der zuverlässiger als das Luntenschloss funktioniert und billiger als das Radschloss herzustellen ist. Sie übernehmen den Hahn des Radschlosses und setzen statt des Rades eine senkrechte Stahlplatte hinter die Pulverpfanne. Betätigt der Schütze den Abzug, schnappte der federgespannte Hahn nach unten, der Schwefelkies scheuerte am Stahl entlang und schlug Funken ins feine Zündkraut. Die Spanier nannten dieses erste Steinschloss Miqueletschlo, abgeleitet vom spanischen Wort "miquilites" = Straenruber. Auch deutsche bewaffnete Wegelagerer hiessen im 16. Und 17 Jahrhundert schlicht im Volksmund "Schnapphähne". |
1547 n. Chr. |
Teuflisches Experiment |
Der Erzbischof von Mainz erklärt gezogene Büchsen wegen ihrer Präzision für Teufelszeug und will das mit einem Experiment beweisen. Der ungläubige Kirchenfürst lasst zwei Büchsenschützen gegeneinander antreten, von denen der eine geweihte Silberkugeln verschiesst, der andere simple Geschosse aus Blei. Klar, dass die Silberkugeln keine Chance haben: Das harte, aber leichtere Kirchensilber presst sich so stark in die Züge und Felder des Rohrprofils ein. Das aber kann niemand dem Bischof begreiflich machen - er verbietet kurzerhand Büchsen mit gezogenen Läufen. |
1543 n. Chr. |
Der Stecher von München |
Italienische Tüftler basteln am deutschen Radschloss herum: Sie montierten es aus leichteren Teilen offen an die Auenseite des Schlossblechs. Französische Büchsenmacher gehen auf die Wünsche von Jägern nach handlichen Waffen ein. Sie legen verschiedene Schlossteile wie die Hahnfeder in Aussparungen des Schafts. Um 1543 bauen Münchner Handwerker den ersten Stecherabzug: ein nadelartiger Stift rastet als Vorderer Abzug das Schloss so fein ein, dass bereits ein sehr leichter Druck auf den hinteren Abzug genügte, um den Federmechanismus auszulösen. |
1517 n. Chr. |
Das Aus für alle Radschlosswaffen |
Ausgerechnet Kaiser Maximilian verbietet 1517 alle "selbstschlagenden hanndtpüchsen". Fr die Jagd lehnte der leidenschaftliche Jäger ohnehin jede Art von Feuerwaffe kategorisch ab. Sein Nachfolger Kaiser Karl V. (1519-1556) betrachtete Radschlosswaffen wieder freundlicher. Damit war der Weg frei für weitere Verbesserungen. |
1510 n. Chr. |
Die Pistole |
Der komplizierte Aufbau des Radschlosses mit seinen vielen Einzelteilen war teuer. Schon deshalb blieb das finanzschwache Militär bei den viel billigeren und einfacheren Luntengewehren, trotz ihrer vielen Nachteile. Nur die Reiterei scheute keine Kosten: Die lästige Lunte verlangte die ungeteilte Aufmerksamkeit des Reiters, der ausserdem eine Hand brauchte, um sein Pferd sicher zu führen. Radschlosswaffen dagegen erlaubten sogar den schnellen Schuss vom galoppierenden Pferd. Daraus entwickelte sich eine neue Waffenart: das Faustrohr oder die Pistole. |
1508 n. Chr. |
Lunte gerochen |
Die Radschlösser werden verbessert. Ein zusätzlicher Pfannendeckel, der sich während des Zündvorgangs automatisch verschiebt, schützt das nässeempfindliche Zündpulver. Jäger lernen den fast erschütterungsfrei ablaufenden Mechanismus schätzen, der schnell und sicher zündete und ein freies Mitschwingen bei bewegten Zielen erlaubte. Ausserdem entfiel der verräterisch glimmende Zünddocht, das Wild konnte nicht mehr vorzeitig Lunte riechen. |
1505 n. Chr. |
In die Pfanne gehauen |
Der Nürnberger Martin Löffelholz baut um 1505 ein neuartiges Zündschloss, dessen Funktionsprinzip er aus dem praktischen Alltag übernimmt: Schlägt man Feuersteine gegen Stahlstücke, entstehen Zündfunken. Auch das italienische Allround-Genie Leonardo da Vinci beschreibt in seinem Codex Atlanticus ein solches Zündschloss. Das Löffelholz-Schloss war so einfach wie wirkungsvoll konstruiert: Betätigte man den Abzug, lief ein vorher über eine Spindel aufgezogenes, federgetriebenes Stahlrad ab. Eine weitere Feder drückte den Hahn, der nun statt einer Lunte ein Stück Feuerstein hielt, gegen die gehärtete Zahnung des Rades. Dadurch entstand ein wahrer Feuerregen, der unmittelbar in die Zündpfanne schlug. Fehlzündungen waren bei dieser Konstruktion so gut wie ausgeschlossen. |
1502 n. Chr. |
Püchsen fürs Fussvolk |
Maximilian revolutionierte die Militärgeschichte weiter. Der Vater der Landsknechte rüstet einen Groteil seiner Fusstruppen mit Gewehren aus. Taktisch klug setzte er diese Püchsen-Schützen zusammen mit Langspiessträgern und Hellebardieren ein. Der Erfolg dieses geschickten Schachzugs blieb nicht aus: Die Feuerwaffe, die bisher in der offenen Schlacht nur eine Nebenrolle spielte, beherrschte zunehmend die Kriegsschauplätze. Deutsche Landsknechte entschieden die Schlacht vor Pavia 1525 mit diszipliniertem Feuer aus Hakenbüchsen und Geschützen. |
1500 n. Chr. |
Klassenarbeit |
Eine neue Gei-Technik hilft der Artillerie und allem, was damit zusammenhängt, auf die Sprünge: Durch den sogenannten aufsteigenden Bronzeguss verbesserte sich die Rohrqualität erheblich. Noch entscheidender waren allerdings die technischen Fortschritte im Eisenguss. Dadurch konnte man Geschützkugeln billig und in großen Mengen produzieren, wie das Kaiser Maximilian I. von Habsburg gefordert hatte. Maximilian, der letzte Ritter, wie er im Volksmund hiess, liess sich bei der Organisation seiner Truppen vom Geschützwesen der Republik Venedig und des Erzherzogs Sigmund von Tirol inspirieren: Als erster Feldherr in der Geschichte teilt er die Artillerie nach Kugelgewichten und Kalibern in einheitliche Klassen ein. |
1493 n. Chr. |
Feiner Zug |
Einfallsreiche Büchsenmacher in Augsburg und Nürnberg kommen auf den richtigen Trichter: Sie arbeiten in die glatten Rohre Züge und Felder ein und steigerten so die Schusspräzision der Waffen. Dieser Geistesblitz entzündete sich vermutlich nur durch Zufall an den Riefen, die nach dem Giessen oder Schmieden in den Läufen zurückblieben. Das erste Laufprofil mit parallelen, gradlinig zur Mündung laufenden Zügen taucht erstmals 1498 in Leipzig auf. Diese Parallelzüge gaben der eingepressten Kugel zwar keinen Drall, bewirkten jedoch, dass sie den Lauf exakt in Zielrichtung verliess. Eine der ersten Büchsen mit spiralförmig gezogenem Lauf gehrte Kaiser Maximilian I. (1459-1519) und verschoss Kugeln im Kaliber 24 Millimeter bei einem Geschossgewicht von 292 Grains (18,9 Gramm). Die gesteigerte Schusspräzision der rotierenden Kugel betrachteten die meisten Zeitgenossen als Sensation, die sich kaum noch überbieten liess. Dennoch experimentierten Büchsenmacher über 500 Jahre lang mit immer neuen Formen des Laufprofils. Stern- und Sägeblattförmige Laufquerschnitte steigerten die Präzision jedoch ebenso wenig wie abgerundete Züge oder Rohr-Ovale. Erst die Konstrukteure des 20. Jahrhunderts verbesserten das erfolgreiche Prinzip der Spiralzüge: Sie entwickelten den sogenannten Polygonlauf. |
1473 n. Chr. |
Au Backe - der Wangenanschlag |
Der Wangenanschlag mit der Feuerwaffe kommt in Mode. Erstmals abgebildet ist er in der 1473 entstandenen "Chronique d`Angleterre" von Jean de Wavrin: Ein gepanzerter Büchsenschütze duellierte sich mit einem Bogenschützen auf dem Schlachtfeld. Er hält den Schaft in Höhe der rechten Wange und zielt über den Lauf. Wenn diese Anschlagsart auch fortschrittlich anmutet, so konnte sie sich auf Dauer nur mit einem längeren Kolben durchsetzen. Denn der Schütze verkraftete den starken Rückschlag am besten, wenn er die Waffe in die Schulter einzog. Der gedrungene Birnen-Kolben der deutschen Schäftung war dafür zu kurz. Der längere, sogenannte spanische Kolben konnte dagegen nicht mehr abrutschen oder den Schützen unangenehme Backpfeifen versetzen, weil der Körper jetzt den Rückschlag mit der Schulter abfederte. Die spanisch Schäftung entstand zur selben Zeit wie die deutsche Kolbenform. Trotz ihrer offensichtlichen Vorteile setzte sie sich bei Gewehren erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts durch und wurde zur Vorläuferin der heutigen Schaftformen. |
1470 n. Chr. |
Birne wird Mode |
Schiessen wird immer bequemer. Ursprünglich klemmte sich der Schütze beim freihändigen Zielen das längliche Schaftende des Feuerrohrs unter die Achsel und hielt den Lauf in die ungefähre Richtung des Ziels. Später orientierten sich die Schaftschneider an dem kürzeren Armbrustschaft, den der Schütze auf Brustmuskel oder Oberarm aufsetzte, wahrend er mit dem Auge über den Pfeil das Ziel anvisierte. Dabei legte er die Wange an den Schaft. Daraus entwickelte sich der sogenannte deutsche Schaft mit einem birnenförmigen Kolben. Historiker streiten darüber, ob sich der Begriff "Arkebuse" (italienisch: arca bouza= Bogen mit Loch) von der armbrustähnlichen deutschen Schäftung ableitet, oder ob es nur eine Verballhornung des deutschen Wortes "Hakenbüchse" ist. |
1460 n. Chr. |
Der Haken an der Sache |
Das Luntenschloss setzt sich durch. Man konnte die Waffe nun mit beiden Händen halten, gleichzeitig zielen und feuern. Da Luntenschloss-Gewehre wegen ihres Gewichts und ihrer umständlichen Handhabung zunächst nur zur Verteidigung eingesetzt wurden, schmiedeten die Büchsenmacher eiserne Haken an den Lauf. Damit konnte die Feuerwaffe auf Mauern, Schiessscharten, Schiessgestellen und Büchsenkarren zum zielen festgelegt oder eingehakt werden. Der Name Hakenbüchse bezog sich auf diese Vorrichtung, die auch den Rückstoss abfing. |
1450 n. Chr. |
Zündende Blechidee |
Das Schlangen- oder Serpentinen-System wird verbessert: Einfallsreiche Waffenbauer verlegten das Zündloch von der Lauf-Oberseite nach rechts und schweissten eine kleine Wanne unter die Öffnung. Diese Pulverpfanne nahm das feine Zündpulver auf, auch Zündkraut genannt. Sie verkürzten den S-förmigen Hebelarm auf dem oberen Teil, der die schwelende Lunte hielt. Eine Abzugsstange verband den Luntenhalter mit dem Abzugshebel. Zusätzlich wirkte eine Blattfeder auf die Abzugsstange, so dass der Luntenhalter gespannt werden konnte. Sämtliche beweglichen Teile waren auf einem Eisenblech an der Waffenseite miteinander verbunden. Der schlossähnliche Aufbau und die glimmende Lunte gaben der neuen Mechanik den Namen: Luntenschloss. |
1439 n. Chr. |
Mechanik statt Handbetrieb |
Deutsche Buchsenmacher erfinden in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts einen Mechanismus, der den umständlichen und zeitraubenden Zündvorgang bei Handwaffen erheblich vereinfacht. Ein Rechnungsbuch der Stadt Preburg aus dem Jahr 1439 belegt hebelartige Vorrichtungen, um Feuerwaffen zu zünden. Diese ersten mechanischen Abzüge erleichtern das Schiessen und Treffen ungemein: Vorher musste der Schütze die Lunte mit der Hand zum Zündloch führen, was den freihändigen Gebrauch der Waffe natürlich erschwerte. Jetzt übernimmt ein S-förmiger Metallarm die Zündung. Dieser schlangenförmige Hebel drehte sich um eine mittlere Achse, die im hölzernen Schaft der Waffe befestigt war. Die glimmende Lunte oder ein Zündschwamm klemmte am gegabelten Oberteil des Hebels, der untere Teil diente als Abzug. Abbildungen eines sehr vereinfachten Z-förmigen Schlangen- oder Serpentinenschlosses tauchten erstmals im Codex Vindobana aus dem Jahr 1411 auf |
1420 n. Chr. |
Schiesspulver-Bäcker |
Deutsche Büchsenmeister verbessern das Schiesspulver. Bis 1400 kannte man nur das sogenannte Mehlpulver, ein sehr feines Gemenge, das nur sehr langsam abbrannte, weil es zwischen den Staubteilchen nicht genügend Luft gab. Während eines längeren Transportes entmischte es sich durch die ständigen Erschütterungen wieder, so dass am Zielort der schwere Schwefel unten, der Salpeter in der Mitte und die leichte Holzkohle obenauf lagen. Deshalb beförderte man die Bestandteile getrennt und mischte erst am Einsatzort. Um1420 gelang es, das Pulver zu körnen. Die Büchsenmeister feuchtesten das zerriebene Pulvermehl mit Essig oder Branntwein an und kneteten es wie Teig zu Knollen. Dabei lösten sich Salpeter und Schwefel, wodurch die Bestandteile fest miteinander verklebten. Zerkleinerte man einen solchen getrockneten Pulverkuchen, entstand eine Masse unregelmäßiger Körner, zwischen denen sich nun genügend Sauerstoff für eine wirkungsvollere Verbrennung anlagern konnte: Die Oberfläche vervielfachte sich. Dieses neue gekörnte Knollenpulver entmischte sich zudem nicht mehr, da jedes Korn alle Pulverbestandteile im selben Mischungsverhältnis enthielt. Bei gleicher Menge brannte das Knollenpulver also wesentlich heftiger als Mehlpulver ab. |
1399 n. Chr. |
Die Büchse von Tannenberg |
Truppen des Königs Wenzel, der Erzbischöfe von Mainz und Trier und der Reichsstadt Frankfurt belagern die Burg Tannenberg an der Bergstrasse des Hartmud von Cronenberg, um dem gefürchteten Raubritter und adeligen Wegelagerer den Garaus zu machen. Frankfurts Beitrag zur Belagerung besteht aus der großen Steinbüchse, die schwere Steinkugeln verschiesst. Kein billiges Unternehmen: Fr 40 Schuss werden sieben Zentner und 33 Pfund Pulver verbraucht, aber es lohnt sich: Das Raubritternest wird bis auf die Grundmauern zerstört. 1849 finden Archäologen bei Grabungen in den Burgruinen in der Zisterne Bruchstücke einer Büchse, einen eisernen Ladestock sowie Reste einer zweiten Büchse. Die Tannenberg-Büchse war sehr einfach aufgebaut, besass aber schon die gleichen Grundelemente wie ein modernes Gewehr: Lauf und Schaft. Den Lauf bildete eine hinten verschlossene, 27 cm lange Bronze-Röhre mit einfacher Zündöffnung. Der Schaft bestand aus einem Holzstab, der in einer konischen Bohrung an Laufende befestigt war. Eine solche primitive Haltemöglichkeit war zum Zielen nötig, denn bei diesen primitiven Schusswaffen hatte der Schütze alle Hände voll zu tun, um überhaupt einen Schuss aus dem Lauf zu bringen: Eine Hand hielt die Waffe und richtete sie auf das Ziel, während die andere ein glühendes Zündeisen, eine glimmende Lunte oder eine brennende Kohle bereithielt. Das Schaftende klemmte der Schütze unter die Achsel oder setzte es wie ein Armbrust auf Brustmuskel oder Oberarm auf. Schiessversuche mit der Tannenberg-Büchse bis ins Detail nachgebauten, eingespannten Waffe und nach zeitgenössischen Rezepten gemixtem Pulver brachten erstaunliche Ergebnisse: auf 25 Meter Entfernung lagen alle Schüsse innerhalb eines Kreises von 14 Zentimetern Durchmesser. Die Kugel im Kaliber von rund 17 Millimetern hinterliess auf zwei Millimeter dickem Blech ein Zentimeter tiefe Dellen. |
1380 n. Chr. |
Berthold der Schwarze |
Der Freiburger Franziskaner-Bruder Berthold der Schwarze alias "nyger pertoldes" (Berthold der Schwarze) experimentiert in seiner Klosterzelle mit Schiesspulver und entdeckte die Wirkung des Gemisches aus Salpeter, Schwefel und Holzkohle. Als Erfinder des Schiesspulvers und der Pulverwaffen scheidet Konstantin Aucklitzen, wie der Franziskaner-Bruder mit bürgerlichem Namen hie, allerdings aus: Beides war bereits erfunden. Etwas scheint der experimentierfeudige Bruder, der eigentlich Gold herstellen wollte, doch geleistet zu haben. Um 1380 verbesserte ein "nyger pertoldes" (Berthold der Schwarze) die "chunst aus pchsen zu schyssen" ("die Kunst aus Buchsen zu schiessen"). Er soll wegen seiner Versuche 1388 zu Tode verurteilt worden sein. |
1346 n. Chr. |
Handwaffen aus Bronze |
Die Städte Aachen und Frankfurt bestellten bei einem unbekannten Handwerksmeister bronzene Handbüchsen. Die Rechnung dafür belegen die ersten Handwaffen. |
1340 n. Chr. |
Kugeln statt Pfeile |
Die bisher aus Geschützen verschossnen Pfeil werden durch Steinkugeln ersetzt. Es kommen nach dem einfachen Grundprinzip des Milimete-Geschützes schiessende Riesenkanone auf, die zentnerschwere Steinkugeln schleuderten. Solche Monster, wie etwa die bronzene Steinbüchse der Johanniter-Ordensritter von Rhodos oder der gigantische Mörser "Pumhart von Steyr" wogen Dutzende von Tonnen und hatten Kaliber bis zu 80 Zentimetern. |
1326 n. Chr. |
Erste Pulver-Waffen |
Der englische Kirchenmann Walter de Milimete, eine Art Gemeindepfarrer in der Grafschaft Cornwall, stellte ein Kanonengeschütz vor, das Pfeile per Pulverkraft verschiesst. Abgebildet ist diese Kanone in der für König Eduard II. von Endland bestimmten Handschrift "De Nobilitatibus, Sapientis, et Prudentia Regum" ("über Ruhm, Weisheit und Bildung der Knige"). Das Milimete-Geschütz gleicht mehr einer knapp einen Meter hohen, liegenden Blumenvase als einer Kanone. Seine Lade- und Zündtechnik funktioniert aber schon so wie bei sämtlichen Nachfolgemodellen bis zum 18. Jahrhundert. Man schüttet Pulver in eine hinten verschlossene Röhre, setzt ein passendes Geschoss auf die Ladung und zündet, indem man ein glühendes sogenanntes Loseisen durch das Zündloch steckt. |
1275 n. Chr. |
Verbesserungsvorschläge |
Der griechische Naturwissenschaftler und Gelehrte Marcus Graecus (Markus der Grieche) verbesserte das Schiesspulverrezept des Franziskaner-Mönchs Roger Bacon: In seinem Buch "Liber Ignium" ("Buch der Feuerarten") empfiehlt Graecus ein Teil Schwefel, zwei Teile Holzkohle aus Weidenholz und sechs Teile Salpeter. Eine fast gleichlautende Formel findet sich in den naturwissenschaftlichen Schriften des Albertus Magnus, Dominikaner, Universal-Gelehrter und von 1260 bis 1262 Bischof von Regensburg. |
1249 n. Chr. |
Es knallt und kracht |
Der englische Franziskaner-Mönch Roger Bacon schrieb das Rezept für Schiesspulver auf: Man nehme sieben Teile Salpeter, fünf Teile Holzkohle aus jungem Haselnussholz und fünf Teile Schwefel. Nach seiner Beschreibung ergibt dieses Gemisch "großen Donner und Blitz"; Hinweise auf Verwendung als Schiesspulver fehlen. 1267 veröffentlicht er das Rezept in verschlüsselter Form in seinem Werk "De Secretis Operibus Artis" ("über Werke der Geheimkunst"). |
1139 n. Chr. |
Papst fordert Abrüstung |
Papst Innozenz III. verurteilt auf dem zweiten Lateralkonzil die Armbrust als "mörderische und unchristliche Waffe", die nur noch im Kampf gegen die Heiden eingesetzt werden darf. |
1044 n. Chr. |
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In China erscheint ein naturwissenschaftliches Werk (Wu Ching Tsung Yao) in dem von Pulver berichtet wird. |
900 n. Chr. |
Chinesische Raketen |
Die Chinesen feiern den Jahreswechsel mit Feuerwerkskörpern, die von einem dem Schwarzpulver ähnlichen Gemisch angetrieben werden. |
712 n. Chr. |
Die ersten Geschosse |
Die Araber setzten bei der Belagerung der spanischen Stadt Alora mörserähnliche Handwaffen ein, deren Geschosse eine Art Schiesspulver antreibt. Sehr eindrucksvoll können die arabischen Mörser nicht gewesen sein: In den nächsten 500 Jahren tauchten solche Kriegsgeräte nirgendwo in Europa auf. |
630 n. Chr. |
Brandgefährliche Kugeln |
Schon in der Antike hantierten Krieger mit Feuerwaffen: Sie verschiessen Brandstoffe mit Pfeil und Bogen, pusteten sie durch Blasrohre oder bringen sie per Wurf- und Schleudermaschinen unters gegnerische Volk. Besatzungen der byzantinischen Marine verstehen das Spiel mit dem Feuer bestens. Im ersten Drittel des 7. Jahrhunderts heizten sie ihren Gegnern mit dem "Griechischen Feuer" ein: Kneul aus zusammengepressten Kienspänen und Werk, die mit einem Gemisch aus Petroleum und Schwefel getränkt waren. Verschossen wurden die sogar in Wasser brennenden Kugeln mit Pfeilen und Schleudern. |